Vor einem Jahr berichtete ich über den missglückten Versuch einen dritten Wurf vom Tal der Mühlen aufzuziehen. Wir hatten den erwählten Rüden in der Nähe von Stuttgart besucht, Binti hatte sich zu meiner größten Freude auch decken lassen, aber bei der Ultraschalluntersuchung ungefähr 4 Wochen später sahen wir – nichts!

 

Der Tierarzt meinte zwar, auf das Ultraschallbild zeigend: „Hier – und auch da vielleicht – könnte was gewesen sein“, und dann fragte er nach der Rangordnung im Rudel. Aber so eindeutig war die für uns nicht erkennbar. Wir wissen zwar, dass sie eine Rolle spielen kann, aber schließlich gibt es genügend Eurasierzüchter mit mehreren Hündinnen unterschiedlichen Alters, bei denen „Oma“ wertvolle Erziehungshilfe geleistet hat. Warum hätte das im Tal der Mühlen nicht gelingen sollen?

 

Winterwelpen, die dann vielleicht zu Weihnachtsgeschenken werden, waren nicht so unser Ding, also warteten wir bis zur Frühjahrsläufigkeit. Chica begann am 24. Februar, Binti planmäßig 2 Wochen später am 10. März. Ist diese Reihenfolge vielleicht schon ein Zeichen für die Rangfolge?

 

Inzwischen hatten wir alle Stadien der Planung durchlaufen...

 

 

Fast hatten wir uns schon für einen niederländischen Rüden in der Nähe von Nijmegen entschieden oder seinen Kollegen weiter westlich, aber dann erführen wir, dass zuerst die Junghundeuntersuchung der Welpen abgewartet werden müsse, bis er wieder agieren dürfte. Die Kleinen waren allerdings erst einige Wochen alt…

 

Im Übrigen sei er erst noch einer anderen Hündin versprochen.

 

Und dann schlug Corona zu, Fahrten über die Grenze kamen vorläufig nicht infrage.

 

Weitere Suche! Es musste jedenfalls ein Rüde in zumutbarer Entfernung sein, so dass keine Übernachtung nötig wäre. Der nächste Kandidat lebte in einer Wohnung ohne Garten, auch schwierig, wenn erst ein Platz für das große Ereignis gefunden werden musste, denn treffen durfte man sich nur mit höchstens einem Erwachsenen aus einem anderen Haushalt. Der Garten von Freunden könnte schon problematisch sein, wohin mit den Freunden – wenn es denn welche mit Garten gab?

 

Und dann war da noch der Rüde mit dem Kastrationschip, von dessen Vorhandensein offenbar niemand etwas gewusst hatte.  Alles schwierig!

 

 

 

Nach langen Beratungen hin und her gibt es schließlich noch eine Idee: Wie wäre es denn mit dem „alten Herrn Ivo“? Der hat Erfahrung, der hat schon viele Kinder, Enkel, ja sogar Urenkel. Und der hat seinen Job doch immer gut gemacht. Zu ihm muss man nicht fahren, nicht übernachten, der ist vor Ort, sogar die Progesteronbestimmung beim Tierarzt kann man sich sparen, denn wer, wenn nicht so ein alter Hase, wüsste den rechten Zeitpunkt? Außerdem stammt er wirklich noch ganz aus der ZG, kann also „vereinseigenes“ Erbgut weitergeben, was ja auch gewollt ist. Und seine Gesundheitswerte sind genauso passend wie die der übrigen in Frage kommenden Kandidaten. Günstig könnte sich auch auswirken, dass er sich überhaupt nicht für Rehe und Hasen interessiert, es sei denn, sie würden genau vor seiner Nase auftauchen. Das einzige Wild, das er in seiner Jugendzeit einmal angeschleppt hat, war eine schon ziemlich vergammelte Wildschweinklaue, die er eigentlich nicht wieder hergeben wollte…

 

So weit, so gut. Ein neuer Schilddrüsentest muss noch her, der letzte ist von Mai 2019. Auch das wird mit Bravour und prima Werten erledigt. Weiß- und Scheckentest sind nicht nötig in der ZG.

 

Und dann heißt es wieder mal warten und beobachten. Während Chica ihre Stehtage erst um den 16./17. Tag der Läufigkeit hat, war Binti in der Hitze im letzten Frühjahr bereits am 8. Tag so weit, dass wir ganz schnell reisen mussten. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an meinen Bericht.

 

Und ja, Ivo ist interessiert – aber irgendwie gebremst. Er kommt und schnüffelt, Binti bleibt stehen, aber schließlich dreht er bei und verschwindet. Chica beobachtet und dann schirmt sie Binti gegen Ivo ab, stellt oder legt sich dazwischen und fixiert ihn, nicht böse, nicht knurrend, aber bestimmend. Mehrere Tage lang geht das so. Wir versuchen den Heiratskandidaten Freiräume zu verschaffen zum Beispiel durch getrenntes Spazierengehen, mal mit Ivo und Binti, mal mit Chica allein. Vergeblich. Sie gehen freundlich miteinander um, abends liegen alle drei im Wohnzimmer, ohne dass wir dauernd mahnen oder einen wegsperren müssten.

 

An unseren Beinen klammert Ivo, fiept und zeigt deutlich seine Gefühle, aber von Binti hält er sich eher fern. Ob Chica nun persönlich anwesend ist und darüber wacht oder nicht, es ist, als hätte sie entschieden, dass Binti keine Welpen haben darf. Wenn überhaupt, ist das ihr Vorrecht. Und Ivo fügt sich. Aber auch Binti ist ziemlich zahm, nur draußen bei anderen Rüden wird sie munter. Aber da wollen wir das ja nicht…

 

Eine richtige Familie hatten wir uns vorgestellt, und wieder mal sind unsere Träume geplatzt. Das regt doch zum Nachdenken an.

 

 

 

Sind es doch Chicas ältere Rechte, die ihr den Vorrang vor ihrer Tochter geben?

Anscheinend gibt es außer uns noch andere Züchter mit ähnlichen Problemen. Aus einer Diskussion im Internet konnte ich entnehmen, dass Rudel offenbar sehr unterschiedlich strukturiert sind. Manchmal gibt es überhaupt keine Probleme: „Von 50 Deckakten hatten wir 49 Trächtigkeiten“, heißt es. Jemand anders berichtet: „Meine ranghohe Hündin gibt die Rudelführung für die Zeit von der Läufigkeit bis nach der Welpenaufzucht an die gedeckte Hündin ab und rückt an die zweite Stelle des Rudels. Wenn die Welpen ausgezogen sind, übernimmt sie wieder“. In weiteren Rudeln werden Läufigkeiten durch das Verhalten der ranghohen Hündin unterdrückt oder abgebrochen… Manchmal wird die „Chefin“ für eine Weile in Urlaub geschickt, um rechtzeitig rangniedrigere von ranghöheren Hündinnen zu trennen oder aber ältere, nicht mehr zur Zucht vorgesehene Hündinnen werden kastriert..

 

 

 

Interessant finde ich die gegensätzlichen Einschätzungen:

 

„Über sowas habe ich mir nie Gedanken gemacht...hatte auch nie Probleme. Mein Rudel ist ein perfekt eingespieltes Team...und die älteren Hündinnen helfen bei der Aufzucht- sobald die Mutterhündin es duldet.“ --- „Auch die Welt der Hundezucht ist bunt und das ist gut so. Für mich ist natürliches Verhalten von Rassehunden ein sehr positives Zeichen dafür, dass sie sich teilweise noch nicht allzu weit von ihren Ahnen entfernt haben und besonders wertvoll für die Zucht sind.“

 

Beide Möglichkeiten sind durch Untersuchungen am Wolfsrudeln belegt.

 

 

 

Schon seit längerer Zeit beobachten wir auch, dass zunehmend Chica und nicht mehr unbedingt Ivo entscheidet, welcher fremde Hund angebellt wird und welcher nicht.

 

Ivo scheint sich da etwas zurückzunehmen. Will er vielleicht „in Pension gehen“, die Leitung der „Firma“ allmählich in jüngere Pfoten abgeben?

 

Solche Gedanken wälze ich natürlich, wenn ich die Situation wieder und wieder durchdenke. Aber sei es, wie es will: