Über unser Leben im Rudel

 

 

19. August 2019

 

"Mit dreien ist man kinderreich", oder weniger freundlich formuliert "Mit dreien ist man asozial", hieß es schon vor 40 Jahren. Gemeint waren da natürlich Kinder. Wir testen gerade aus, wie es sich mit drei Eurasiern lebt und ob dieses ungeschriebene Gesetz vielleicht auch hier zutrifft.

 

Übrigens: Unsere Hunde heißen alle Ivo. Wenn es nämlich etwas Gutes gibt, wird als Alterspräsident zuerst Ivo gerufen - und schwupps, sitzen alle drei brav nebeneinander vor uns, egal, ob ihr Name eigentlich Ivo vom Lachsbach, Chica vom Achenbach oder Binti vom Tal der Mühlen ist. Dann werden der Reihe nach die Namen genannt, zuerst Ivo (er bekommt sein Leckerli), dann Chica (sie wird versorgt), zuletzt Binti (sie erhält ihren Teil). Solange dieser Ritus eingehalten wird, ist alles gut, werden aber keine Namen genannt oder stimmt die Reihenfolge nicht, gibt es kein Halten. Dann ist Binti schnell wie der Blitz und schnappt den beiden anderen möglicherweise alles weg, unser "Schnappi"! Nur gut, dass vor allem Ivo das ganz gelassen sieht. Er weiß schon, dass er nicht zu kurz kommt, dass es bestimmt Ersatz für entgangene Freuden gibt.

Apropos Freuden: In einer Hinsicht ist es nichts mit seiner Gelassenheit. Wenn er den Eindruck hat, dass sich ein Rivale seinen Mädels nähert und eventuell andere Absichten haben könnte als nur mal eben "Guten Tag" zu sagen, (schließlich kennt man sich als erfahrener Rüde mit der Hormonlage seiner Damen aus), dann soll sich der nur in Acht nehmen, da kennt Ivo keinen Spaß!

Wer uns kennt, der weiß, wie es zu diesem Trio kam. Ivo lebt seit 2008 bei uns, seit dem Welpenalter also, 26facher Vater inzwischen. Bei ihm bekamen wir mit, wie jeder Züchter nach dem Deckakt fiebert, ob seine Hündin wohl aufgenommen hätte un d wie dann nach 9 Wochen die Welpen geboren wurden und das Haus mit Leben füllten, wie sie aufwuchsen und schließlich zu neuen Menschen umzogen. Natürlich haben wir alle seine Kinder besucht, egal, ob im Brenztal, in der Nähe von Lübeck, in Rostock oder sogar in Dänemark. Das Vergnügen, die pelzigen Bärchen zu sehen und knuddeln zu können, war uns doch die weiteste Reise wert.

Aber - einmal knuddeln oder 9 Wochen lang Tag und Nacht um sich haben - das ist doch noch ein großer Unterschied! So wuchs der Wunsch nach "EIGENEN" Welpen, und so kam eben 2012 Chica zu uns, einzige Hündin aus einem Bayerischen Wurf, großgeworden und trainiert bei 5 Brüdern.

Sie ließ sich von Ivo nicht die Wurst aus der Schüssel nehmen, und es dauerte einige Zeit, bis die beiden so richtig warm miteinander wurden. Ivo, bisher unser Prinz, musste lernen, dass es auf einmal noch jemanden gab, der seine Rechte einforderte - und Chica war natürlich durch den Umgang mit ihren Brüdern "kampferprobt".

Im Mai 2015 war es dann soweit: Nach einem Besuch bei Basko vom Schloss Wiesental kam der A-Wurf vom Tal der Mühlen, ein Rüde und vier Hündinnen, zur Welt. Chica hatte inzwischen noch viel an Selbstbewusstsein dazu gewonnen und duldete es ganz gelassen, dass Ivo auch während der geburten in die Wurfkiste schaute. In der ganzen Zeit der Welpenaufzucht mussten wir ihn nicht einmal aussperren.

Die Zwerge machten viel Arbeit und raubten den Schlaf - wie das alle Zwerge ähnlicher Art tun, aber sie machten so viel Freude, dass im April 2017 der B-Wurf kam. Diesmal sollte eine Hündin bei uns bleiben, nicht nur, aber auch, um eine weitere Zucht zu ermöglichen. Während die 3 Jungs, Balou, Benni und Benito und die zwei Mädels Bailey und Bena uns verließen, blieb Binti bei Mama Chica und uns. Da waren wir nun komplett.

Bald zeigte sich, dass immer irgendwie eine Hand fehlt um DREI Hunde zu führen. Da kommt es leicht zum Leinenverwirrspiel... Gut, dass wir zu zweit sind!

Klar, Binti musste sich nicht erst groß einleben, sie kannte ja Haus und Umgebung hier schon. Sie schaute sich natürlich alles von den "Großen" ab, das gute Benehmen wie den Blödsinn. Chica nahm uns einiges an Spielen mit dem Kind ab und maßregelte Binti auch, wenn die Kleine zu frech wurde.

Währenddessen hielt Ivo sich ganz zurück nach dem Motto: Nicht meine Baustelle, hab ich nix mit zu tun!

Auch heute noch lässt er sich nur gelegentlich herab, auf Bintis Spielaufforderungen einzugehen und eine Runde mit ihr zu rasen und zu rangeln. Oh ja, das kann er noch, der alte Herr, wenn er nur Lust hat!

Dann fühlt sich Chica offenbar entlastet, sie trabt munter neben mir her, niemand springt sie wild von der Seite her an, niemand hängt sich mit den Zähnen an ihren Schwanz. Das Leben ist schön!

Über ein Jahr lang konnten wir Binti ziemlich sorglos frei laufen lassen bei unseren Wanderungen durch Wald und Feld. Sie blieb bei uns und lief nur in den Wald, wenn vorrangige Geschäfte es erforderten. Auf oder dicht am Weg etwas liegen zu lassen, das war noch nie die Art unserer Hunde. Ein Stück Abstand - sprich Intimsphäre - das muss schon sein...

Dann aber wurde die Neugier übermächtig, ein Schalter sprang um. In der Folge wurde jeder Wildpfad inspiziert, nicht ausgiebig, aber doch so intensiv, dass wir manchmal etwas unruhig wurden. Nachdem Bintis Forschungen anscheinend zu einem kurzen Wildscheinkontakt geführt hatten - für uns nicht sichtbar, sondern nur durch ein helles, hohes Bellen und ein nachfolgendes tiefes Grunzen zu erraten -, kommt seitdem bei Waldspaziergängen häufiger die lange Leine zum Einsatz...

Ivo darf weiterhin meist ohne Leine laufen, zumindest solange kein fremder oder als Lieblingsfeind bekannter Rüde in Sicht ist, denn für Rehe oder Wildschweine interessiert er sich nicht die Bohne. Chica orientiert sich ziemlich zuverlässig an uns, ihren Menschen, es sei denn, Binti läuft frei und ist auf Abenteuer aus. Dann flitzen beide unvermittelt los, mal eben unter dem Stacheldraht durch und ab in Richtung Wald und Bach. Zu zweit macht das natürlich viiiel mehr Spaß als alleine!

Dann können Herrchen und Frauchen rufen und rufen, aber sie können es auch sein lassen, denn sie werden sowieso nicht erhört. Die einzige eventuelle Chance besteht (bei nicht allzu weiter Entfernung!) darin, den Futterbeutel zu schwenken. Dann kommt Binti VIELLEICHT angesaust - und Chica läuft mal mit. Ein Kostverächter ist sie schließlich auch nicht!

Ein bisschen schwierig wird es schon mal, wenn kein gemeinsamer Spaziergang möglich ist, z. B. weil die Damen gerade heiß sind. Hier gibt übrigens bisher Chica die Zeit an. Binti hat sich inzwischen an Mama angeschlossen so mit ein bis zwei Wochen Verzögerung. Der Tenor bei allen dreien ist jedenfalls: Wenn das Rudel nicht vollzählig ist, macht spazieren gehen keinen rechten Spaß. Auch wenn ich mal nicht mitgehe, kommen fast immer Chica und Binti zu mir und fragen an, ob das denn wirklich so sein muss. Wir gehören doch zusammen!

In unserer Nachbarschaft wohnt ein wuscheliger Rüde, der oft laut bellend an unserem Haus vorbeimarschiert, was vor allem Ivo massiv missfällt. Wenn wir dem und seinem netten Frauchen unterwegs begegnen, heißt es immer: "Ab auf die Weide, Abstand schaffen!" Gelingt das mal nicht, muss unbedingt auch Chica an die Leine, die eigentlich hier für sich selbst kein Feindbild sieht, denn sie meint dann, sie müsste Ivo unterstützen in seinem Bemühen, den Wuschel schleunigst zu vertreiben. Nur Binti interessiert das Ganze (bisher) kaum. Sie begegnet jedem Kollegen mit Freundlichkeit und Neugier.

Es ist kurz vor sieben Uhr abends. Zeit fürs Abendessen? Noch ein bisschen zu früh, meiner völlig unmaßgeblichen Meinung nach. Binti ist da  anderer Ansicht. Während ich noch am Computer sitze und arbeite, rücken Mama Chica und sie mir schon mal auf die Pelle. Ivo kauert im Hintergrund in Bauchlage, die Schnauze elegant auf eine Pfote gebettet, auch er erwartungsvoll.

Es dauert nicht lange und Binti springt mit den Vorderpfoten auf meine Armlehne, sie beginnt mir inbrünstig das Gesicht abzulecken:

"Nun komm schon, lass uns in die Küche gehen! Merkst du denn nicht, dass wir Hunger haben???"

Aber sie muss noch mal runter von der Lehne. Ein wenig Zeit brauche ich noch, und außerdem wollen wir nicht jeden Abend früher dran sein...

 

So wie es inzwischen ja schon Restaurants gibt, in denen Kinder unerwünscht sind, gibt es natürlich auch solche, die keine Vierbeiner dulden. Um Ärger zu vermeiden, sitzen wir am liebsten draußen, wenn das Wetter es zulässt. Sonst fragen wir erst mal nach, ob es genehm ist...

Meist verschwinden Ivo, Chica und Binti unter dem Tisch und erst, wenn wir das gastliche Haus verlassen, kommen sie wieder zum Vorschein. Wie oft haben wir da schon gehört: "Oh, Sie haben ja einen Hund dabei. Den haben wir gar nicht bemerkt. Ach ist der süß!" Und dann werden die Augen immer größer, wenn Nummer zwei und drei auch noch hervorkommen.

Schon der alte Goethe wusste:
"Dem Hunde, wenn er wohl erzogen, wird selbst ein weiser Mann gewogen!"

Zum erweiterten Rudel gehört auch Paddy, der Hund von Sohn und Schwiegertochter, den ich früher schon vorgestellt habe. Er kommt aus dem Tierschutz und vereinigt sehr unterschiedliche Rassen in sich. Oft begegnen wir ihm beim Morgenspaziergang. Dann gibt es jedes Mal eine freudige Begrüßung, vor allem mit unseren Mädels, Küsschen hier und Küsschen da - und dann ab auf die große Weide zum Toben und Mäuse gucken!

Ivo, wie hätte man es anders erwarten können, geht die Sache ruhiger an. Auch er versteht sich prima mit seinem Kollegen, aber unter Männern ist das natürlich nichts mit Küsschen...

Paddy ist auch eher zurückhaltend, ja, etwas von seine anfänglichen übergroßen Ängstlichkeit ist noch zurückgeblieben: FLIEGEN vor allem bedeuten Horror für ihn, daher gehen wir besonders im Sommer möglichst früh am Morgen spazieren, wenn die Brummer noch schlafen.

Sein zweiter Schrecken sind KNALLER jedweder Art, agal ob Schüsse, Böller oder sonst was. Dann kann er nicht mal mehr den dringendsten Geschäften nachgehen und will nur noch nach Hause.

Dieser freundliche Kerl ist nun einer etwas größeren Hündin aufgefallen, die sich seit einiger Zeit darin gefällt, ihn (zumindest für uns) völlig unerwartet anzublaffen und in die Enge zu treiben. Das irritiert Paddy natürlich völlig. Damit kann er nicht umgehen. zur Wehr setzen kommt für ihn überhaupt nicht in Frage. Allerdings hatte die Dame wohl nicht mit seinen Rudelkameraden gerechnet. Die nämlich sahen ihre Attacke offenbar als Angriff auf das ganze Rudel an und keiften zurück - obwohl bei früheren Begegnungen ohne Paddy eitel Frieden und Sonnenschein geherrscht hatte.

"Wir gehören zusammen und wir halten zusammen", lautet offenbar die Devise.